Als JournalistIn selbstständig machen & Gründungszuschuss beantragen – so geht’s

von JULIA DETTMER

von JULIA DETTMER

Die Corona-Krise dauert an und langsam kann ich keine Postings mehr sehen, in denen es um Homewear (oh wow, ja, Anna W.), Bananenbrot-Rezepte (meines ist Wochen her!) und Produktivität im Home Office geht. Wir wissen doch jetzt alle, wie’s geht.

Ich schreibe stattdessen einen kleinen Guide für alle, die sich als JournalistInnen selbstständig machen und den Gründungszuschuss beantragen wollen. Das hatte ich euch ja schon im Februar versprochen.

Achtung 1: Ich teile hier meine persönlichen Erfahrungen und Tipps. Alles subjektiv! Jeder macht mit dem Arbeitsamt eigene Erfahrungen und gerät bei den Behörden an unterschiedliche Beamte. So habe ich das auch bei meinen Freunden mitbekommen. Welcher Weg der schnellste/beste/erfolgreichste ist, weiß wohl niemand.
Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr Bescheid sagt, falls ich irgendwo was Falsches geschrieben habe.

Achtung 2: Manches kann durch Corona jetzt anders sein, zum Beispiel die Geschichte mit dem Arbeitsamt.

Alle, die also den Entschluss gefasst haben, sich als JournalistIn selbstständig zu machen und den Gründungszuschuss zu beantragen UND jetzt gerade ihre vier Buchstaben hochkriegen:
Welcome, this is your Posting!

1. Sei dir sicher!
Entscheide dich beherzt für deine Selbstständigkeit. Mach dir Gedanken, warum du selbstständig arbeiten möchtest, was genau du anbieten kannst und für wen du Aufträge erfüllen willst. Man sollte einen konkreten Plan für sein Angebotsportfolio haben. Wenn der Entschluss gefallen ist und du ein gutes Gefühl dabei hast, kann’s losgehen.

2. Ab zur Agentur für Arbeit
Wer sich selbstständig machen will, muss vorher mindestens einen Tag arbeitslos gemeldet sein und noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.
Also am besten drei Monate vor der Kündigung schon für diesen einen Tag nach dem festen Arbeitsverhältnis (wenn ihr aus einem kommt) beim Arbeitsamt melden. Das geht online, aber ihr müsst trotzdem einmal persönlich vorbeikommen, spätestens am ersten Tag – also am einzigen Tag – der Arbeitslosigkeit. Dort könnt ihr dann gleich sagen, dass ihr nicht in die Arbeitslosigkeit gehen wollt, sondern dass es sich um den Pflichttag handelt, den ihr haben müsst, um den Gründungszuschuss zu beantragen.
Bei mir lief es so: Ich bin hingegangen, habe das gesagt und hatte das Glück, dass mir die Dame direkt einen Termin für die Beantragung des Gründerzuschusses organisiert hat. Ein Zimmer weiter bekam ich dann alle Unterlagen dafür. Normalerweise muss man für den zweiten Termin zum Thema Gründungszuschuss, glaube ich, ein zweites Mal hin. Ich hatte Glück.

Vorteile, wenn man den Gründungszuschuss beantragt anstatt erst mal arbeitssuchend zu bleiben:

  • Ihr fallt natürlich aus der Arbeitslosenstatistik des Arbeitsamts.
  • Der Gründungszuschuss ist so hoch wie das Arbeitslosengeld, das ihr bekommen würdet, plus 300 Euro für Krankenversicherung etc. on top.
  • Ich habe mich damit wohler gefühlt als mit dem Stempel „arbeitslos“. Es war völlig klar, dass ich sofort nach meiner Festanstellung frei arbeiten will, und deshalb war die Selbstständigkeit gegenüber der vorläufigen Arbeitslosigkeit für mich die richtige Entscheidung. Wenn man erst mal eine Zäsur braucht, um sich zu sammeln und alle Unterlagen zusammenzustellen, kann es Sinn machen, sich erst arbeitslos zu melden (für länger als einen Tag).
  • Wichtig: Informiert euch über die Möglichkeiten der Krankenversicherung. Man kann zum Beispiel nur unter bestimmten Voraussetzungen privat versichert bleiben, wenn man sich arbeitslos meldet.

Nachteile, wenn man sich direkt selbstständig macht, ohne erst mal arbeitslos zu sein:

  • Bis der Antrag hoffentlich bewilligt und der Gründungszuschuss ausgezahlt wird, müsst ihr Zeit überbrücken. Blöd, wenn man nichts angespart hat. Es kann also sinnvoll sein, bis zur Bewilligung des Gründungszuschusses arbeitslos gemeldet zu sein, damit man ALG bekommt.
  • Man bekommt nur sechs Monate den vollen Gründungszuschuss, dann kann man nochmal für neun Monate weitere 300 Euro pro Monat beantragen. Zum Vergleich bei Arbeitslosigkeit: Das volle ALG I bekäme man für ein ganzes Jahr.
  • Es gibt jede Menge Orgazeug zu erledigen. Erstens die für das Arbeitsamt, zweitens die für eure Selbstständigkeit. Überlegt euch also, was ihr wann in Angriff nehmt/anmeldet/offiziell macht.
    Ich habe alles erst nach meinem letzten Tag bei BUNTE.de organisiert und hatte dadurch zwar schön viel zu tun (#workaholic), aber auch direkt ne Menge Stress.

3. Jetzt geht’s ans Eingemacht: Unterlagen für den Gründungszuschuss zusammenstellen
Nicht erschrecken lassen! Ihr bekommt vom Arbeitsamt eine ganze Liste mit Unterlagen, die ihr zusammenstellen müsst, um sie zusammen mit dem Antrag für den Gründungszuschuss abzugeben:

  • Antrag selbst
  • persönliche Begründung für das Recht auf die Förderung
  • Stellungnahme einer fachkundigen Stelle
  • Bestätigung des Finanzamts
  • Businessplan (Schriftteil und Finanzteil)
  • (Die Gewerbeanmeldung trifft für freie Journalisten als Einzelpersonen meist nicht zu)

Ich hatte erst mal einen Kloß im Hals, weil ich dachte: „Ohgottohgott, wie soll ich das denn alles zusammenbekommen?“ Dann machte ich mir klar, dass es nun mal jetzt so lange dauert, wie es dauert, und legte los.

Gucken wir uns die Bausteine mal en detail an:

Der Antrag selbst
Der „Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 93 SGB II“, wie der Wisch offiziell betitelt ist, ist nur ein Blatt (beidseitig bedruckt) und ist schnell ausgefüllt.

Begründung
Ihr bekommt zum Antrag auch ein Blatt, auf dem ihr in genau 16 Zeilen erläutern sollt, „inwieweit die Sicherung Ihres Lebensunterhalts und die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung nur durch die Gewährung eines Gründungszuschusses gewährleistet werden kann“.
Jeder, der sich Gedanken über sein Business gemacht hat, sollte mit dieser Begründung kein Problem haben. Ich habe sie getippt, ausgedruckt und aufgeklebt, weil ich nicht die leserlichste Handschrift habe.

Stellungnahme einer fachkundigen Stelle
Eine „fachkundige Stelle“ (z.B. Fachverbände, Kammern etc.) muss euch die Tragfähigkeit eures Business‘ anhand des Businessplans bestätigen (= Stempel und Unterschrift auf Wisch von der AA). Ich war mit meinem Businessplan beim Steuerberater, habe alles mit ihm durchgesprochen, mir hier und da noch einen Tipp geben lassen und dann hat er mir die „Tragfähigkeit meiner Existenzgründung“ bescheinigt.

Bestätigung des Finanzamts
Ich empfehle euch dringend, den Antrag beim Finanzamt einzureichen, BEVOR ihr irgendwas anderes macht. Das Münchner Finanzamt braucht für die Erstellung einer neuen Steuernummer vier bis sechs Wochen und in dieser Zeit könnt ihr schön alle weiteren Unterlagen zusammensammeln.
(Ich habe das natürlich falsch rum gemacht und wartete sehnsüchtig auf die Steuernummer, obwohl der ganze Rest längst fertig war. Das dauerte, weil natürlich auch die Behörden wegen Corona eingeschränkt sind.)
Mir wurde beim Arbeitsamt gesagt, dass ich persönlich zum Finanzamt gehen soll, um den Antrag für die neue Steuernummer zu stellen.
Müsst ihr nicht! Das geht online (in Bayern hier, ihr könnt den Antrag dann drucken und mit der Post schicken, oder drucken, unterschreiben, scannen und mailen). Spart euch bitte einen weiteren Behördengang und den Beamten die Zeit.

Der Businessplan
Davor hatte ich richtig Schiss. Ich hatte bis dahin nur einmal an einem mitgearbeitet und bin wahrlich kein Excel-Profi. Doch ich wurde sehr überrascht, denn dieser Teil hat mir am meisten Spaß gemacht. Es macht nämlich einen gewaltigen Unterschied, ob man solche Texte und Tabellen für einen Arbeitgeber erstellt oder für sich selbst. Mit ein paar Vorlagen und jeder Menge Kaffee und Schoko zur Motivation setzte ich mich also auf den Hosenboden, schaltete mein Handy in den Flugmodus und startete mit dem schriftlichen Teil.

Darin soll man sein neues Business beschreiben: Vorhaben, Ausführungen zur Markt-, Branchen-, und Konkurrenzsituation, Organisation des Absatzes bzw. Perspektiven der Produktvermarktung, Personalbedarf und Personalorganisation (diese beiden Punkte fielen für mich weg). Zudem soll man seine Person mit einem Lebenslauf vorstellen und den beruflichen Werdegang und spezielle Kenntnisse/Qualifikationen aufzeigen.

Der haarigste Teil war die Finanzplanung. Hier habe ich ein 7-seitiges Excel-Dokument erstellt und mich in Formeln und solche Späße eingearbeitet. Anfangs zäh, am Ende wirklich spaßig, wenn das Ding dann rund ist und Sinn macht. Außerdem kann man das Wissen dann auch für seine ganzen Excels v. Zur Finanzplanung gehören ein Kapitalbedarfsplan (benötigte Investitionen, Kostenplan, Finanzierungsübersicht), eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau und ein Liquiditätsplan.
So schwer sich das alles anhört, es macht Sinn, sein Business einmal ganz genau aufzuschlüsseln, jeden Posten auf links zu drehen und am Ende hoffentlich rentabel zu sein. Im Businessplan könnt ihr schön aufzeigen, warum ihr auf den Gründungszuschuss angewiesen seid. Wenn ihr direkt im ersten Monat schon all eure betrieblichen und privaten Kosten locker decken könnt, könnt ihr euch den Antrag nämlich sparen, Glückwunsch!

Tipp: Die Fertigstellung mancher Dokumente liegt ganz bei euch und hängt von eurer Schnelligkeit ab. Bei den anderen seid ihr auf die Arbeit der Behörden und fachkundigen Stellen angewiesen. Ich empfehle also, erst mal alles Behördliche in die Wege zu leiten und sich dann an die Sachen zu setzen, die man selbst schreiben muss. So verschwendet ihr keine Zeit mit Warten.

Wenn ihr alles beisammen habt, könnt ihr den Antrag samt Dokumenten abschicken oder beim Arbeitsamt abgeben. Da die Bewilligung des Gründungszuschusses eine Ermessensentscheidung ist und keinem bürokratischen Automatismus folgt, heißt es jetzt Daumen drücken.

Übrigens: Ihr dürft bzw. sollt ruhig schon durchstarten und arbeiten, auch wenn ihr noch keinen Bescheid habt. Wenn er bewilligt wird, bekommt ihr das Geld rückwirkend ausgezahlt. Noch was Gutes: Der Gründungszuschuss ist steuerfrei und muss bei der Einkommensteuer nicht aufgelistet werden.

So, jetzt bin ich gespannt, ob es noch jemanden von euch in den Fingern juckt. Wer schließt sich dem Freelance-Club an? Ich find’s nach wie vor toll, auch wenn die Corona-Krise gerade alles sehr erschwert, weil Verlage und Unternehmen immer weniger Aufträge vergeben.

Aber hoffen wir einfach mal auf den Boom danach.
Good luck everyone!