Ich glaube an Frieden, Liebe und Musik. Das ist alles.

von JULIA DETTMER

von JULIA DETTMER

(Jenny Lewis beim Interview am 20. November 2010)

Ich hatte ja vor ein paar Wochen einen der tollsten Momente (oder vielleicht sogar zwei der besten Stunden) meines Lebens, denn ich traf Jenny Lewis zum Interview. Sie ist mein größtes musikalisches Idol, ein Hippie-Mädchen, eine bombige Entertainerin und vor allem eine ganz große Musikerin.

Ich hab mir ja nicht umsonst „No bad words.“ tätowieren lassen. Würde ich sie und ihre Band Rilo Kiley nicht wirklich verehren, wär es wohl ein Herz mit „Mama“ drin geworden ;).

Der Anlass des Interviews: Jenny and Johnny (sie hat seit neuestem eine Band mit ihrem Lover) spielten als Vorband von Vampire Weekend in der Tonhalle.

Hier ist unser Gespräch. Mir ist klar, dass es erst mal nach „Bäh, viel zu viel zu Lesen“ aussieht, aber ich wollte nicht kürzen. Ich finde es muss so lang bleiben. Damit euch der Lesespaß nicht vergeht, hab ich es zumindest grafisch schön strukturiert.

Ich: Wie geht’s euch? Wie lang tourt ihr schon in Deutschland? Jenny: Super geht’s uns. Drei Tage oder so. Wir waren in Berlin, morgen geht’s nach Düsseldorf (sie sagt sehr putzig ‚Duseldorf‘) und das war’s. Es ist so kalt hier. (Sie lacht.)

Ich: Also dann, fangen wir an. Ich habe auf Youtube ein Video gefunden, in dem du ein Tape zeigst, auf dem Run-D.M.C. und die Beastie Boys sind. Was hatte das zu bedeuten? Jenny: Das war meine erste Bekanntschaft mit dem Hip-Hop. Der verstorbene Corey Haim hat es mir in den 80ern gegeben, ich glaube das war noch bevor er „The Lost Boys“ gedreht hat. Weißt du, du lebst in Los Angeles, triffst Leute und er hat mir einfach dieses Mixtape gegeben. Da habe ich angefangen, Hip-Hop zu lieben, mit zehn Jahren.

Ich: Aber du wolltest nie selbst Hip-Hop machen? (Jonathan wird unruhig, bestimmt hat er Angst, dass ich ihn gar nichts frage.) Jenny: Oh, ich glaube, die erste Musik, die ich aufgenommen habe, also zuhause mit so einer kleinen Boombox, war vom Hip-Hop inspiriert. Ich habe definitiv angefangen zu schreiben, weil ich Hip-Hop gehört habe. Anfangs wollte ich damals keine Songs schreiben, sondern Verse und Raps.

Ich: Habt ihr beide eine gemeinsame Lieblingsband? Johnny: Du meinst eine, bei der wir uns einig sind? Ähm… Jenny: …wir lieben Deerhunter, wir mögen die Birds.
Johnny: Mhm, die Birds. Und Pavement.

Ich: Ist sowas denn ein potentieller Streitpunkt zwischen euch beiden? Johnny: Ja! Oh, meinst du die Musik von anderen oder unsere eigene?

Ich: Beides, eher so den Musikgeschmack. Jenny: Wir mögen teilweise dasselbe, teilweise auch verschiedene Sachen und ich habe von Johnny eine Menge über klassische Musik und klassischen Rock gelernt. Johnny: Und Punk Rock. Jenny: Und Punk Rock. Und ich habe ihn so ein bisschen in die Independent Rock-Schiene gezogen. Aber meistens haben wir bei fast allem den gleichen Geschmack, aber bloß weil er Kaninchen isst, tue ich das nicht.

Ich: …du trägst nur Mäntel aus Kaninchenfell. (Jennys erstes Soloalbum heißt „Rabbit Fur Coat“) Jenny (lacht): Ganz genau, er hat mir sogar einen gekauft, als mein Album rauskam. Johnny: Du hast eine Serie gruseliger Bilder damit gemacht und ihn dann nie wieder angezogen. Jenny: Ja, ich sehe darin aus wie sonst was. Er ist braun und echt hässlich.

Ich: Wie viele Stunden pro Tag verbringt ihr mit Musik? Machend, schreibend, hörend? Jenny: Meist machend und schreibend. Wenn ich auf Tour bin, mag ich nicht Musik hören. Manchmal streiten wir da ein bisschen. (Zu Johnny) Du hörst viel mehr Musik als ich… Johnny: Ja, du machst das generell nicht. Jenny: Ich will Musik machen und schreiben, natürlich höre ich auch Musik, aber im Auto höre ich lieber Talk-Radio. Man hört so viel Musik, das kann auch mal zu viel werden. Johnny: Ich mag immer Musik hören, über Kopfhörer. Jenny: Im Haus, im Auto… Johnny: Im Haus, im Auto… Jenny: Im Fitnessstudio… Johnny: Im Fitnessstudio, in der Dusche… Jenny: In der Dusche…

Ich: Regt dich das auf? Jenny: Ja, manchmal. Aber manchmal geh‘ ich dann einfach raus oder mach‘ es leiser. Johnny: Du solltest sie hören, wenn die Vögel anfangen zu singen, das ist schon genug.

Ich: Ihr habt ja noch nicht immer zusammen Musik gemacht. Findet ihr das leichter als Freunde oder als Liebespaar? Johnny: Hmmm… Jenny: Hmmm…(lacht). Johnny: Das ist schwer zu sagen, weil wir es nur auf eine Art gemacht haben. Jenny: Hey! Johnny: Es ist unmöglich, irgendetwas rückgängig zu machen, was passiert ist. Also für mich fühlt es sich so ziemlich normal an, wie wir das jetzt gerade machen. Jenny: Ich glaube, es ist intimer, mit jemandem Songs zu schreiben, als viele andere Sache, die man machen kann. Wenn man in den Kopf des anderen schauen kann und sehr viel kreative Gedanken teilt, ist das sehr intim. Johnny: Ja, aber ich würde es nicht mit dem Wort „schwierig“ beschreiben. Es fühlt sich einfach wie ein Zimmer in deinem Haus an, in das du nicht täglich gehst, aber es ist unser kleines Zimmer. Und da ist ein Schloss an der Tür und du kannst den anderen aussperren, aber jetzt ist es gerade offen und wir sind da drin.

Ich: Wie habt ihr euch kennen gelernt? Es gibt da die Legende von Conor Oberst (nebenbei: auch einer meiner Lieblingskünstler)… Johnny: Ja, er hat uns in New York City einander vorgestellt. Ungefähr in 2004.

Ich: Und, war es Liebe auf den ersten Blick? Johnny (sehr entschieden): Nein.
Jenny: Nein, es war so wie: „Ah, nett, dich kennen zu lernen, junger Mann!“

Ich: Und was hast du damals von seiner Musik gehalten? Jenny: Ich kannte sie noch nicht, weil er seine erste Platte noch nicht aufgenommen hatte.
Johnny: Ich war erst 19.
Jenny: Aber du kanntest Rilo Kiley.
Johnny: Ich hatte einen Song von Rilo Kiley gehört. Ich kannte The Postal Service besser. (Hintergrund: Jenny sang bei einigen Songs auf dem ersten The Postal Service-Album mit).
Jenny: Stimmt, das würden jetzt die meisten sagen.
Johnny: Also daher kannte ich sie. Wir konnten eigentlich sofort ganz gut miteinander reden. Aber unsere Beziehung entwickelte sich erst ein paar Jahre später. Und zwar nicht, während wir zusammen Musik machten. Jenny: Man nennt mich den Zug, der im Schneckentempo vorankommt (grinst).

Ich: Kannst du dich noch an den Moment erinnern, in dem es dann funkte? Johnny: Musiktechnisch?

Ich: Nein, liebestechnisch. Johnny: Oh.
Jenny: Hm, wir liefen eine Straße in Nebraska entlang, da habe ich mit Rilo Kiley „More Adventurous“ aufgenommen und er hatte seine Aufnahmen zu seinem ersten Album gerade vollendet. Ein Auto voller Hinterwäldler fuhr vorbei und sie brüllten aus dem Fenster „Wo geht’s zum Volleyball-Training?“, ziemlich mies, ich guckte zu ihm rüber und ich glaube in diesem Moment dachte ich „Ha! Ich mag diesen Kerl.“
Johnny (sehr zurückhaltend): Ich weiß nicht. Ich glaube, das ist nicht so wichtig. Weißt du, wir offenbaren so viel mit unserer Musik, es gibt so ein paar Erinnerungen, die will ich nicht preisgeben.
Jenny: Zzzip, der Schlüssel ist weg (sie meint den Schlüssel zu Johnnys jetzt verschlossenem Mund).

Ich: Dann sollte ich mir die Frage über die Hochzeit vielleicht gleich sparen, aber ich will trotzdem wissen, ob es irgendwelche Pläne gibt? Jenny (völlig überrascht): Hochzeit?
Johnny (völlig überrascht):: Hochzeit?

Ich: Ja! Johnny: Jaja, und wenn du dann gehst, wer weiß, was dann passiert! Alle lachen, ich gebe mich geschlagen. Und lasse die Sache ruhen.

Ich: Das Wetter soll garstig gewesen sein, als ihr das Album aufgenommen habt. Ihr wart abgeschnitten. Hatte das Wetter Einfluss auf die Musik? Jenny: Ja, hatte es. Ich denke, wenn man sehr intensiv an einem kreativen Projekt arbeitet, ist es oft gut, sich wegzusperren, weil man dann die Chance hat, wirklich auf jedes Detail zu achten.
Johnny: Das war ein harter Winter. Aber wir hatten so die Möglichkeit, uns wirklich zu konzentrieren.

Ich: Habt ihr dann alle Instrumente selbst gespielt? Johnny: Fast. Jason war dabei (Hintergrund: Jason ist der Drummer bei Rilo Kiley).
Jenny: Er spielt auch bei Rilo Kiley. Er hat die guten Schlagzeugparts gespielt. Die schlechten Parts kommen von mir oder von Johnny und die guten von Jason.

Ich: Wofür steht die Schlange, euer Logo, die sich selbst in den Schwanz beißt? Jenny: Man nennt sie „Ora Bora“, sie ist ein Symbol für Zufriedenheit. Aber es gibt negative und positive Assoziationen. Wenn die Schlange ihren eigenen Schwanz isst, ist sie nie hungrig.

Ich: Ist sie ein Symbol für eure Band? Johnny: Ja. Wir streiten oft, wer jetzt der Kopf und wer der Schwanz ist (Jenny lacht), bin ich in ihrem Mund? Oder ist sie in meinem? Die Schlange ist ein alchemistisches Symbol, das viel Kraft hat. Man kann alles in diesen Kreis hineininterpretieren.

Ich: Warum heißt das Album dann so eindeutig „I’m Having Fun Now“? Jenny: Johnny hat ein Auto bei einem Garagenverkauf gekauft. Weißt du, was das ist? Sie verkaufen da seine Besitztümer, wenn die Familie sie nicht behält. Da stand das Auto in der Einfahrt.
Johnny: Ja, ein türkises altes Auto, das nicht sehr fit aussah, aber ich kaufte es für wenig Geld, für 900 Dollar.
Jenny: Und hinten klebt ein Aufkleber auf dem „I’m Having Fun Now“ steht.

Ich: Kanntet ihr die Person, die verstorben ist? Jenny: Nein, aber es fühlt sich jetzt so an, als ob wir sie kannten. Weil ich auch zwei Steakmesser gekauft habe. Tod Wisenbaker kommt herein, er spielt Gitarre und Bass in der Band, er hatte im Nebenraum geduscht.
Jenny: Ladies and gentlemen, Tod Wisenbaker. Er kommt gerade aus der Dusche.

Ich: Hallo Tod, wir gucken dir nix weg! So, jetzt zu einem Song, in dem es um Religion geht, „Animal“. Glaubt ihr an einen göttliche Macht? Johnny: Ich glaube, es gab verschiedene Stationen in meinem Leben. Ich bin in einem sehr religiösen, streng katholischen Haushalt aufgewachsen, somit hatte ich keine Wahl. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens an Gott geglaubt, weil ich nicht mal in Erwägung zog, dass es ihn nicht geben könnte. Jetzt nicht mehr so richtig.
Jenny: Ich glaube an Frieden, Liebe und Musik. Das ist alles.

Ich: Und das hängt nicht von einer höheren Macht ab? Jenny: Nicht unbedingt, nein.
Johnny: Ich mag diesen Spruch „Gott ist Liebe“, ich glaube, das könnte es sein. Ein großer Mann sagte mal „Wir müssen die Liebe regieren lassen.“ Jenny: Damit wären wir wieder bei Lenny Kravitz angekommen (Hintergrund: Lennys Debütalbum heißt „Let Love Rule“, es erschien 1989).

Das war’s! 20 Minuten mit meinem Idol sind vorbei. Völlig von der Rolle, mit zittrigen Händen und Schwindelgefühl verlasse ich den kleinen Raum, in dem die beiden jetzt noch ein bisschen auf der Gitarre herumklimpern, etwas essen und vermutlich knutschen – bis sie später als Band auf der Bühne im Scheinwerferlicht ein viel besseres Konzert hinlegen als der Hauptact. Leider wollte sie kein Foto mit mir machen, die Jenny, weil sie glaubte, sie sähe nicht gut genug aus. Sehr sympathisch. Ich bin so dankbar für diesen Abend. 

PS: Es gibt momentan keine konkreten Pläne für Rilo Kiley, bald kommt aber eine Platte mit B-Seiten und sie werden auf jeden Fall auch irgendwann wieder ein Album aufnehmen.