Mein Madeira-Tagebuch I: And you’re tired of those vows …

von JULIA DETTMER

von JULIA DETTMER

… and you’re really walking out. 

(The Gaslight Anthem: „Bring It On“ auf „American Slang“)

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Madeira. Madeira. Madeira. Madeira. Seit der fünften Klasse will ich auf die Blumeninsel! Um genau zu sein, seit wir als Schullektüre „Die sanften Riesen der Meere“ gelesen haben und ich mich (in Kombi mit exzessivem „Free Willy“-Genuss) sogar mit einem temperamentvollen Protestbrief für das Ende des Walfangs vor Madeira stark gemacht habe.

Wir flogen nicht hin. Meine Eltern sagten damals: „Juli, da sind nur alte Leute und außerdem gibt’s keinen Sandstrand. Da motzt du dann nur.“ Recht hatten sie.

Jetzt, 19 Jahre später, habe ich mir diesen Kindheitstraum endlich erfüllt. Dank Resturlaub bin ich vor wenigen Stunden auf Madeira gelandet und verstehe, warum meine Eltern damals nicht mit uns drei Kids anreisen wollten. Fast alle sind hier über 50 (nicht wertend gemeint), „nix los“ wäre übertrieben und einen Strand gibt’s nicht wirklich.

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–> Es ist perfekt. Ich habe ein wunderbares Hotel erwischt, das sich über mehrere Sonnenterrassen seinen Weg zum Meer hinunter bahnt. Dort unten kann man in Pools oder den Atlantik steigen, ein Eis essen, und/oder einfach nur stundenlang die Aussicht genießen. Egal, wo man hier ist, der Ozean ist auch da und umarmt einen sanft. Ich habe mich dem Meer noch nie so nah gefühlt. Es scheint, als ob sich mein Herzschlag dem Rhythmus des Wellengangs angepasst hat. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich steif und fest behaupten, dass ich eine Wassergeburt war :).

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Jeden Morgen nach dem Aufstehen gehe ich zuerst auf den Balkon, schaue fünf Minuten auf den glitzernden Atlantik hinaus, mache ihm schöne Augen und erlaube ihm, mich schonungslos anzuflirten. Nachts bleibt die Tür offen und ich schlafe bei sanftem Meeresrauschen ein. Ich bin ganz alleine hier. Ohne Freundin, ohne Freund, nur ich, ein Stapel Bücher und der Gerät, auf dem ich gerade schreibe. Diesmal sollte niemand mit. Ich wollte alleine sein und diese/meine Trauminsel auf eigene Faust erkunden. Runterkommen, abschalten, auf niemanden Rücksicht nehmen, tun und lassen, was immer ich will. Zum Beispiel laaange frühstücken und mich dabei dieser Aussicht hingeben: Nun bin ich seit zwei Tagen da und „alleine herkommen“ war die richtige Entscheidung. Irgendwie hatte ich gespürt, dass Madeira – das erste Wunschurlaubsziel, seit ich weiß, was Urlaub ist – und ich das alleine machen müssen. Dass mich die Insel warm empfangen wird und wir prima miteinander auskommen.

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Bisher fand ich immer, dass Reisen zu zweit genau deshalb supertoll ist, weil man sich über Erlebtes sofort austauschen und schöne Momente direkt teilen kann. Jetzt merke ich, dass man gar nicht alles gleich aussprechen muss, was man so denkt. Dass alleine sein sehr, sehr gut tun kann. Die meiste Zeit über sitze/laufe/liege ich selig grinsend irgendwo rum und bin überglücklich. Ich habe mich, glaube ich, noch nie so frei und erfüllt gefühlt wie in diesen Tagen. Heute durfte ich zum Beispiel die schönste Busfahrt meines Lebens zur Hauptstadt Funchal machen: https://www.youtube.com/embed/uGVhvBfOWd0

Was ich dort unternommen habe, lest ihr morgen an dieser Stelle … Até amanha!

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PS: Kleiner Lacher noch zum Schluss. Yes, we tan!