Sie schienen imstande, formlosen Dingen plastische Gestalt zu verleihen …

von JULIA DETTMER

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… und eine eigene Musik zu besitzen, so süß wie die einer Viola oder Laute. Bloße Worte! Gab es etwas, das so wirklich war wie Worte? 
(Oscar Wilde: „Das Bildnis des Dorian Gray“, S. 32, Reclam Ausgabe)  Jetzt bin ich durch. Zu Schulzeiten habe ich das Buch noch sehr halbherzig, naja, viertelherzig gelesen. Jetzt ist es völlig zerfleddert, auf fast jeder Seite gibt es pink markierte Stellen und ich musste schon ein paar Tesastreifen anbringen, um es vor dem Zerfall zu schützen.  Hier die besten Zitate. Die fetten mag ich besonders gern. Man könnte sich eine vollständige Lebenstheorie daraus zusammenspinnen.

Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge. (S. 5)

So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind entweder gut oder schlecht geschrieben. Das ist alles. (S. 5)

Alle Kunst ist völlig nutzlos. (S. 6)

Der einzige Weg, sich einer Versuchung zu entledigen, ist, ihr nachzugeben. (S. 31)

Sie schienen imstande, formlosen Dingen plastische Gestalt zu verleihen, und eine eigene Musik zu besitzen, so süß wie die einer Viola oder Laute. Bloße Worte! Gab es etwas, das so wirklich war wie Worte? (S. 32)

Man hört zuweilen, Schönheit sei nur etwas Oberflächliches. Das mag sein. Aber wenigstens ist sie nicht so oberflächlich wie das Denken. (S. 36)

Das wahre Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare. (S. 36)

Sie war eine sonderbare Frau, deren Kleider immer so aussahen, als seien sie in einem Wutanfall entworfen und während eines Sturms angezogen worden. (S. 68)

Heirate überhaupt nie, Dorian. Männer heiraten, weil sie müde, Frauen, weil sie neugierig sind; beide werden enttäuscht. (S. 70)

Mein lieber Junge, die Menschen, die nur einmal in ihrem Leben lieben, sind in Wahrheit die Oberflächlichen. Was sie Anhänglichkeit und Treue nennen, nenne ich entweder Macht der Gewohnheit oder Mangel an Phantasie. Treue ist für das Gefühlsleben das gleiche wie Konsequenz für das Geistesleben – nämlich schlicht ein Eingeständnis von Versäumnissen. (S. 75)

Wenn man verliebt ist, betrügt man am Anfang immer sich selbst und am Ende stets den anderen. Das nennt die Welt dann eine Romanze. (S. 78)

Persönlichkeiten, und nicht Prinzipien, bewegen die Welt. (S. 82)

Ich bin verändert, und die bloße Berührung von Sybil Vanes Hand lässt mich dich und all deine falschen, packenden, verderblichen, köstlichen Theorien vergessen. (S. 113)

Genuss ist das einzige, worüber eine Theorie zu haben sich lohnt. (S. 113)

Wenn wir glücklich sind, sind wir immer gut, aber wenn wir gut sind, sind wir nicht immer glücklich. (S. 113)

Gut sein heißt, mit sich selbst in Einklang sein. (S. 113)

Missklang entsteht, wenn man gezwungen ist, mit anderen zu harmonisieren. Das eigene Leben – das ist das einzig Wichtige. (S. 113)

Mein Liebster! Mein Liebster! Mein Märchenprinz! Prinz des Lebens! Ich bin der Schatten überdrüssig. Du bedeutest mir mehr, als alle Kunst mir jemals bedeuten kann. Was habe ich mit den Marionetten eines Theaterstücks zu schaffen? Als ich heute Abend die Bühne betrat, konnte ich nicht verstehen, wie es kam, dass alles von mir abgefallen war. Ich dachte, ich würde wundervoll sein. Dann stellte ich fest, dass ich nichts mehr konnte. (S. 125)

Du hast meine Liebe getötet. Früher hast du meine Phantasie beflügelt. Jetzt weckst du nicht einmal mehr meine Neugier. Du übst einfach keinerlei Wirkung auf mich aus. (S. 125)

Selbstvorwürfe haben etwas Bequemes. Wenn wir uns selbst anklagen, glauben wir, kein anderer hätte das Recht, uns anzuklagen. Die Beichte, nicht der Priester, erteilt uns Absolution. (S. 138)

Gute Vorsätze sind nutzlose Versuche, wissenschaftliche Gesetze zu beeinflussen. Sie entspringen reiner Eitelkeit. Ihr Ergebnis ist gleich Null. Sie lassen uns zuweilen in der einen oder anderen jener behaglichen, unfruchtbaren Empfindungen schwelgen, die für die Schwachen einen gewissen Reiz besitzen. Das ist alles, was man zu ihren Gunsten anführen kann. Es sind lediglich Schecks, ausgestellt auf eine Bank, bei der man kein Konto hat. (S. 144)

Aber Frauen wissen nie, wann der Vorhang gefallen ist. Sie wollen immer einen sechsten Akt, und sobald das Interesse an dem Stück ganz und gar erloschen ist, schlagen sie vor, es fortzusetzen. (S. 146)

Sie spürt instinktiv, dass Manieren wichtiger sind als Moral, und in ihren Augen ist die höchste Ehrbarkeit weitaus weniger wert als der Besitz eines guten Kochs. (S. 204)

Ist Unaufrichtigkeit etwas so Schreckliches? Ich glaube nicht. Sie ist lediglich eine Methode, mit deren Hilfe wir unsere Persönlichkeit vervielfältigen können. (S. 205)

Er pflegte sich über die oberflächliche Psychologie jener zu wundern, die das menschliche Ego als etwas Einfaches, Beständiges, Verlässliches und Einheitliches betrachten. Für ihn war der Mensch ein Wesen mit unzähligen Leben und unzähligen Empfindungen, ein vielschichtiges, vielgestaltetes Geschöpf, das seltsame Vermächtnisse von Denken und Leidenschaft in sich trug und dessen Fleisch schon von den abscheulichen Krankheiten der Toten befallen war. (S. 205)

Frauen versuchen ihr Glück, Männer setzen das Ihre aufs Spiel. (S. 256)

Die Hässlichkeit war die einzige Wirklichkeit. (S. 266)

Skeptizismus ist der Anfang des Glaubens. (S. 280)

Die Liebe lebt von der Wiederholung, und Widerholung verwandelt Begierde in eine Kunst. Außerdem ist es jedes Mal, wenn man liebt, das einzige Mal, dass man je geliebt hat. (S. 282)

In der alltäglichen Welt der Tatsachen wurden weder die Bösen bestraft, noch die Guten belohnt. (S. 286)

Ich mag die Herzogin sehr, aber ich liebe sie nicht. Und die Herzogin liebt dich sehr, mag dich aber weniger, also passt ihr hervorragend zusammen. (S. 292)

Das Wissen wäre fatal. Es ist die Ungewissheit, die einen reizt. Ein Nebelschleier macht die Dinge erst wundervoll. (S. 294)

Nun, die Tatsache, dass sie dich kennen gelernt und geliebt hat, wird sie lehren, ihren Mann zu verachten, und sie wird unglücklich sein. (S. 301)

Die Bücher, die die Welt unmoralisch nennt, sind Bücher, die der Welt ihre eigene Schande vor Augen halten. Das ist alles. (S. 311)